PTOSIS

"Ptosis" bedeuted Senkung des Oberlides, d.h. das Lid steht zu tief auf dem Augapfel und bedeckt die Pupille ganz oder teilweise. Eine echte Ptosis ist unabhängig von Veränderung der äusseren Schichten des Lides. Sie kann also nicht durch eine äussere "Lidstraffung" behandelt werden, sondern erfordert eine Operaton am Lidheber innerhalb der Augenhöhle. Eine Ptosis kann fast hundert verschiedene Ursachen haben. Für die chirurgische Behandlung muss also zuerst die Ursache erforscht werden. Es kann nur eine einfache Bindegewebsschwäche oder auch eine komplexe Störung der Nervenversorgung vorliegen. Alle Ptosisfälle kann man vereinfacht in angeborene oder erworbene sowie in einfache oder komplizierte Fälle einteilen. Bei angeborenen Fällen muss man damit rechnen, dass der Lidhebermuskel nicht gut entwickelt ist. Bei komplizierten Fällen sind auch die Mechanismen zum Schutz des Auges gestört.

 

Erworbene Ptosis, einfache Form

Über 90 % der Ptosen sind erworben und einfach. Sie sind nicht angeboren. Der Defekt betrifft nur die Lidheberanatomie.

 

Erworbene Ptosis, komplizierte Form

Komplizierte erworbene Ptosisformen sind selten. Der Defekt findet sich im Muskelsystem oder Nervensystem.

Angeborene Ptosis, einfache Form

Der Lidhebermuskel ist nicht ausreichend entwickelt und hat eine eingeschränkte Funktion.

Angeborene Ptosis, komplizierte Form

Neben der Fehlentwicklung des Lidhebermuskels finden sich neurogene oder myogene Störungen der Lidschlussmechanismen und Motilitätsstörungen des Auges.

Untersuchungstechnik, Diagnostik, Einordnung

 

Syndrome mit Lidbeteiligung und angeborene Liddefekte

Diese heterogene Liste enthält eine Auswahl von besonders in der lidchirurgischen Praxis vorkommenden myogenen, neurogenen oder dystrophischen Defekten und Syndromen. Sie können angeboren oder erworben sein und sind häufig mit eine Ptosis des Oberlides verbunden.

Okulomotoriusparese (Ptosis und Augenmotilitätsstörung durch Hirnnervenlähmung

Horner Syndrom (Ptosis durch Störung der sympathischen Nervenversorgung)

Marcus Gunn Syndrom (Ptosis mit Lidbewegung beim Kauen, neurogene Anomalie)

Blepharophimose Syndrom (Ptosis mit vertikaler und horizontal Verengung der Lidspalte)

Fuchs Syndrom, Blepharochalasis (Ptosis bei Atrophie aller Lidschichten und Lidbänder)

Blepharospasmus (Neurogener unwillkürlicher Lidschluss (Ptosis-Neigung)

Apraxie (Neurogene Verzögerung des Lidschlages (Ptosis-Neigunung)

Floppy Lid Syndrom (Liderschlaffung bei Verlust der Elastizität (Ptosis-Neigung)

Anophthalmus, Gestörte Entwicklung des Augapfels (Ptosis)

Neurofibromatose, Morbus Recklinghausen (Ptosis durch Verdickung der Oberlides)

Angeborene Ptosis einfache Form (Ptosis mit isoliertem Defekt des Lidhebermuskels)

Fazialisparese (Fehlender Lidschluss durch Lähmung des Gesichtsnerven, Brauenptosis und Ektropium)

Untersuchung und Bewertung der Ptosis

Anamnese: Die Ptosis kann angeboren oder erworben sein. Die Unterscheidung ist wichtig, da bei der angeborenen Ptosis mit einer Dystrophie der Lidheberanatomie gerechnet werden muss. Man sollte auch eine Mischform der Ptosis berücksichtigen, die sich erst in der Adoleszenz manifestiert und mit den typischen angeborenen Veränderung des Lidheber einhergeht, z.B lidlag und Lipodystrophie des Levator.

Grad der Ptosis (MRD): Die Margen-Reflex-Distance ist der Abstand von der Hornhautmitte zur Oberlidkante. Normalerweise liegt der Abstand zwischen 2,5mm und 4,5 mm. Ein MRD von 2 mm gilt als minimale Ptosis. Ein MRD von 1mm ist eine mittelgradige Ptosis. Ein MRD de 0mm ist eine deutliche Ptosis und ein negativer MRD eine schwere Ptosis.

Levatorfunktion (LF): Die Levatorfunktion ist das Maß für die vertikale Bewegung des Oberlides zwischen maximalem Abblick und Aufblick. Da das Oberlid normalerweise der Rotation des Auges von oben nach unten (ca. 90°) folgt und diese (bei 20mm Bulbusdurchmesser x 3,14 / 4= 15,7mm) ist 15-16 mm eine normale Levatorfunkton. Die Levatorfunktion besteht aus zwei Teilstrecken:

Levatorfunktion = Hebungsstrecke + Senkungsstrecke

Bei der angeborenen Ptosis sind beide Teilstrecken (Hebungdefizit + Senkungsdefizit (lag)) reduziert. Bei der einfachen erworbenen Ptosis besteht in der Regel kein Senkungsdefizit und nur bei hochgradiger Ptosis ein Hebungsdefizit durch die Abkoppelung des Tarsus vom Levator.

Orbikularismuskelprüfung: Die Prüfung der Lidschlusskraft und des Lidschlages ist für die ornhautprotektion von großer Bedeutung.

Bellphänomen: Die Prüfung des Bellphänomens (Bei Lidschluss rotiert das Auge spontan nach oben). Bei Ausfall des Bellphänomens hat man es mit einer komplizierten Ptosis zu tun und muss die Diagnostik erweitern und die Behandlung anpassen.

Spontane Nervenstimulation der Lidhebung: Das visuelle System steuert unwillkürlich die Lidhebung und die Brauenhebung. Bei fehlender zentraler Stimulation, z.B durch Amblyopie, sind operative Lidhebung oder Brauensupension erfolglos.

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Sagittale Messung der Levatorfunktion

(vertikale Bewegung des Lidrandes 15 - 20 mm)

Axiale Messung der Levatorfunktion (Messung der Distanz vom Hornhautreflex zum Lidrand in drei Blickrichtungen: geradeaus, oben und unten)