OPHTHALMO-CHIRURGIE 27: 85 – 94 (2015)
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LIDCHIRURGIE
Laterale Kanthoplastik
Markus J. Pfeiffer
München
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Die laterale Kanthopexie, die laterale Kanthoplastik oder
laterale Tarsalzungenplastik (tarsal strip) zählen zu den
häufigsten Eingriffen der Lidchirurgie und werden meist kom
biniert bei der Behandlung von Unterlidfehlstellungen, bei
der Lidrekonstruktion und Unterlidblepharoplastik eingesetzt
[1]. Die Integrität des lateralen Kanthus ist in funktioneller
und ästhetischer Hinsicht [2] von außerordentlicher Bedeu
tung. Wie bei der Ptosischirurgie ist auch bei der Kanthoplas
tik eine exakte Justierung notwendig. Kanthusfehlstellungen
haben multiple Ursachen, die zu einer Vielfalt von Abweichun
gen führen. Sie können angeboren oder erworben sein und
durch traumatische oder chirurgische Läsionen der hinteren
oder vorderen Lidlamelle verursacht werden.
Geometrische Grundlagen des lateralen Kanthus:
Normale und abweichende Kanthuspositionen
Die Höhe und Öffnung des Winkels der lateralen Fusion von
Oberlid und Unterlid hängt von multiplen Faktoren ab, z. B.
der Bulbusposition, der Lidspaltenöffnung, der Lidbandposi
tion, den vertikalen Ligamenten der inneren Lamelle und der
Beschaffenheit des Orbikularismuskels und der Haut. Die Ko
ordinaten des Lidwinkels variieren in drei räumlichen Koordi
naten und resultieren in verschiedenen Winkelöffnungen. Die
pathologischen Veränderungen der Lidstrukturen werden bei
den einzelnen Formen der Kanthusfehlstellung erläutert.
Kanthusäquator
Der Kanthusäquator (Abbildung 1) liegt auf einer Ebene, die
zwischen dem unteren Punctum lacrimale und dem lateralen
Kanthus den Bulbus in zwei Hemisphären teilt. Die hohe äqua
toriale Lage des lateralen Kanthus (Äquatorialer Kan thus,
Abbildung 2) ist in Europa selten und kommt häufiger bei
Asiaten vor. Die äquatoriale Kanthusposition wird ästhetisch
favorisiert und ermöglicht die stabilste Lage der Unterlid
kante auf einer äquatorialen Kurve. Die Lidspalte erscheint
symmetrisch und mandelförmig.
Lateraler Kanthus:
Normale Variationen der Position
und Fehlstellungen
Die Kanthusposition hängt sowohl von der Position der latera
len Lidbandinsertion als auch von den vertikalen Ligamenten
ab („Orbitomalarseptum“, „Pessaseptum“, „orbital retaining
ligament“ usw.). Normalerweise liegt der laterale Kanthus
unterhalb des Kanthusäquators nicht höher als die optische
Achse und nicht tiefer als das untere Tränenpünktchen, also
zwischen den Positionen „hoher Kanthus“ und „horizontaler
Kanthus“ (Abbildung 2). Auch die seltenere äquatoriale Posi
tion gilt als normal. Bei den Fehlstellungen unterscheidet man
vertikale und horizontale Abweichungen (Abbildung 2). Bei
einem Hypokanthus liegt der laterale Kanthus tiefer als der
mediale Kanthus. Bei einem Hyperkanthus liegt der laterale
Kanthus höher als der Kanthusäquator. Als häufigste horizon
tale Abweichung gilt der laterale Telekanthus.
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Zusammenfassung: Kanthusfehlstellungen werden häu
figer am lateralen Kanthus als am medialen Kanthus beob
achtet. Es gibt angeborene Abweichungen oder erworbene
Kanthusfehlstellungen in Folge degenerativer Prozesse,
Traumata oder chirurgischer Eingriffe. Dieser Beitrag be
schreibt die häufigsten Fehlstellungen des lateralen Kan
thus und erläutert chirurgische Techniken zur Korrektur.
Kanthusfehlstellungen lassen sich mit verschiedenen Varia
tionen der lateralen Kanthoplastik korrigieren.
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Summary: The lateral canthus is more frequently affec
ted by anomalies than the medial canthus. The origin may
be congenital or secondary after a degenerative process,
trauma or surgery. This article describes the most common
anomalies of the lateral canthus and suggests surgical solu
tions, like special variations of lateral canthoplasty.
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